Please use this identifier to cite or link to this item: doi:10.22028/D291-35021
Title: Langzeitergebnisse mit dem suprachoroidalen Implantat (CyPass-Stent) in der Glaukombehandlung
Author(s): Medra, Ahmed
Language: German
Year of Publication: 2021
DDC notations: 610 Medicine and health
Publikation type: Dissertation
Abstract: 1. Zusammenfassung Der Grund für diese Arbeit war das Fehlen aktueller Langzeitdaten zu Wirksamkeit und Sicherheit des CyPass-Mikrostents im klinischen Alltag (sog. Real-Life-Bedingungen). Diese Studie wurde auf die Bewertung des CyPass-Mikrostents als alleiniges Operationsverfahren fokussiert. CyPass-Implantationen in Kombination mit einer Katarakt-Operation sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Auch wenn der CyPass-Stent jetzt nicht mehr verfügbar ist, sind die Ergebnisse dieser Studie ein wichtiger Baustein für die künftige Entwicklung bzw. Weiterentwicklung eines intraokularen Implantats, das den suprachoroidalen Abflussweg nutzt. Aktuell befinden sich einige Implantate in der Vor-Zulassungsphase, wie zum Beispiel der iStent-Supra® (Glaukos, California, USA) und der MINIject™ (iSTAR Medical, Wavre, Belgien). Daher ist die Kenntnis der bisher im klinischen Alltag gesammelten Erfahrungen für die Zukunft wichtig, auch wenn die Funktionsweisen der verschiedenen Implantate etwas unterschiedlich sein mögen. PATIENTEN UND DATEN Alle 192 Patienten, die im Zeitraum von März 2009 bis Dezember 2014 im Rahmen der chirurgischen Glaukombehandlung eine CyPass-Stent-Implantation ohne Kombination mit einer Katarakt-Operation erhalten hatten, stellen die Studienpopulation dar (238 Augen). Bei allen diesen Patienten bestand die Indikation zur Durchführung eines drucksenkenden Eingriffs. Aus diesem Grund waren sie uns auch zugewiesen worden. Die statistische Auswertung der Daten des Studienkollektivs (n=238) zeigt, dass das Risiko eines Therapiemisserfolgs statistisch signifikant mit dem Patientenalter bei der Operation sowie mit der Anzahl der Glaukom-Voroperationen korreliert. Je jünger der Patient war, desto höher war das Risiko eines Therapieversagens (Spearman: R=-0,147; p=0,023; n=238). Auch bei Augen, die bereits vor der CyPass-Stent-Implantation einen anderen drucksenkenden Eingriff erhalten hatten, wurde ein höheres Risiko eines Therapieversagens nachgewiesen (Spearman: R=0,122; p=0,061; n=238). Zum Zeitpunkt des Studienbeginns bereits bekannte „Therapieversager“ (84 Patienten, 86 Augen; 36% von 238 Augen) - das sind Patienten, bei denen zwischenzeitlich ein weiterer drucksenkender Zweiteingriff erforderlich geworden war, wurden nicht mehr zur Nachuntersuchung eingeladen. Die restlichen 108 Patienten (152 operierte Augen) wurden zu einer einmaligen 5-Jahres-Untersuchung eingeladen. Im Rahmen dieser Arbeit konnten die Langzeitdaten von 75 Augen gewonnen und ausgewertet werden. Die in den Patientenakten vorhandenen präoperativen Daten sowie die Daten zwischenzeitlicher Verlaufskontrollen wurden, soweit vorhanden, mit den Daten der 5-Jahres-Untersuchung zusammengeführt und gemeinsam ausgewertet. Angelehnt an der Klassifikation nach Hodapp wurde das Glaukomstadium anhand einer Kombination aus Mean Deviation (MD-Wert) und der Anzahl der zentralen Skotome im Gesichtsfeld in 3 Stufen eingestuft. Wir haben auf dieser Basis 26 Augen (34,7%; n=75) mit mildem Glaukom, 16 Augen (21,3%; n=75) mit moderatem Glaukom und 33 Augen (44%; n=75) mit fortgeschrittenem Glaukom klassifiziert. Das durchschnittliche Patientenalter lag bei der 5-Jahres-Untersuchung bei 73,2 Jahren. Die demographischen Daten sind ähnlich wie in vergleichbaren Glaukom-Studien. Die durchschnittliche Nachbeobachtungsdauer lag bei einem Median-Wert von 5,1 Jahren (Mittelwert = 4,9 Jahre). EFFEKTIVITÄT Um die Effektivität des CyPass-Stents zu beurteilen haben wir den Augeninnendruckverlauf, die drucksenkende Lokaltherapie sowie den postoperativen Sickerkissen-Verlauf analysiert. Wir haben mittels Korrelationen nach Parametern gesucht, die das Endergebnis beeinflusst haben könnten. Der Augendruck sank von 21,07 ± 7,70 mmHg präoperativ auf 16,36 ± 5,92 mmHg bei der 5-Jahres-Untersuchung ab. Im Durchschnitt liegt die Drucksenkung bei 4,71 mmHg nach 5 Jahren. Dieser Druckabfall ist klinisch relevant und statistisch signifikant (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: p<0,001; n=68). Mehr als die Hälfte der nachuntersuchten Augen hatte bei der 5-Jahres-Untersuchung noch eine Drucksenkung von ≥ 20% des präoperativen Wertes (39 Augen; 52%; n=75), darunter 6 Augen (8%) ohne drucksenkende Lokaltherapie. Je höher der präoperative Augeninnendruck war, desto größer war die langfristige Drucksenkung nach fünf Jahren (Spearman-Test; R=-0,702; p<0,0001; n=75). Nach fünf Jahren erreichten 68 der 75 nachuntersuchten Augen (91%) einen Augeninnendruck von ≤ 21 mmHg, 51 von 75 Augen (68%) einen Augeninnendruck von ≤ 18 mmHg, 36 von 75 Augen (48%) einen Augeninnendruck von ≤ 15 mmHg und 17 von 75 Augen (23%) einen Augeninnendruck von ≤ 12 mmHg. Je fortgeschrittener der Glaukomschaden in dem Heidelberg-Retina-Tomograph II (HRT II) (Spearman-Test; R=-0,275; p=0,018, n=74) bzw. in der Nervenfaserschichtmessung mittels optischer Kohärenztomographie (Spearman-Test; R=0,298; p=0,015, n=66) war, desto schlechter war die Drucksenkung nach 5 Jahren. Das Glaukomstadium, angelehnt an der Klassifikation nach Hodapp, zeigt keine statistisch signifikante Korrelation zu dem Augeninnendruck nach 5 Jahren (Kruskal-Wallis ANOVA; p=0,85; n=75) bzw. zu der Augendrucksenkung nach 5 Jahren (Kruskal-Wallis ANOVA; p=0,42, n=75). Die Anzahl der medikamentösen Lokaltherapien blieb nach fünf Jahren bei durchschnittlich 1,92 Wirkstoffen unverändert. Mit einer mittleren Drucksenkung von 4,71 mmHg zeigte der CyPass-Stent, bei gleicher Anzahl der applizierten Lokalmedikationen, nach durchschnittlich fünf Jahren noch immer eine gute Wirksamkeit. Die Beurteilung des suprachoroidalen Sickerkissens zeigte im postoperativen Verlauf eine Abnahme sowohl der Sickerkissengröße als auch der Anzahl der Augen mit nachweisbarem Sickerkissen. Die Anzahl der Augen mit vorhandenem Sickerkissen reduzierte sich von 31 Augen (93,9%, n=33, missing data=42) 3 Monate postoperativ auf 19 Augen (31,5%; n=61; missing data=14) nach 5 Jahren. Das Vorhandensein eines Sickerkissens geht mit einem um 1,51 mmHg niedrigeren Augeninnendruck nach 5 Jahren und (paradoxerweise) einer um 0,37 mmHg geringeren Drucksenkung als bei den Augen ohne Sickerkissen einher. Der Unterschied ist aber sowohl für den 5-Jahres-Augeninnendruck (Mann-Whitney-U-Test: p=0,25; n=61) als auch für die 5-Jahres-Drucksenkung (Mann-Whitney-U-Test: p=0,41; n=61) nicht statistisch signifikant. SICHERHEIT Die Sicherheit des CyPass-Stents haben wir mittels der Sehschärfe, der postoperativen Glaukomprogression (Visus, Gesichtsfeld, HRT und RNFL-OCT) sowie der intraoperativen, frühpostoperativen und Langzeit-Komplikationen beurteilt. Bei 64 Augen (85,3%) zeigte sich bei der 5-Jahres-Untersuchung keine Visusminderung im Vergleich zu dem präoperativen Visus. Bei 11 Augen (14,7%, n=75) wurde eine Visusminderung bei der Abschlussuntersuchung festgestellt. Diese konnte bei nur einem Auge auf den CyPass-Stent zurückgeführt werden. In diesem Auge verursachte die Gesichtsfeldverschlechterung und Zunahme des zentralen Skotoms die Visusminderung. Bei 4 Augen war die Visusminderung auf die Zunahme der Katarakt, bei 2 Augen auf einen Nachstar und bei 2 Augen auf eine okuläre Ischämie zurückzuführen. Eine Zunahme der geographischen Makulaatrophie sowie eine Stäbchen-Zapfen-Netzhautdystrophie verursachten Visusminderungen in jeweils einem Auge. Bei 60% der nachuntersuchten Augen (34 Augen, n=57) haben wir keine Verschlechterung der Mean-Deviation im Gesichtsfeld um mehr als 3 dB nach fünf Jahren gefunden. Eine Verschlechterung von mehr als 5 dB wurde bei 19,3% der Augen nachgewiesen (11 Augen, n=57). Mit einer medianen Veränderung der Mean-Deviation von -0,47 dB/Jahr ist die Progressionsrate nach der CyPass-Stent-Implantation im Vergleich zu dieser nach der klassischen Trabekulektomie, mit einer jährlichen medianen Mean-Deviation-Veränderung von -0,61 dB, deutlich niedriger. Der durchschnittliche Unterschied zwischen dem präoperativen und dem 5-Jahres-Befund betrug -1,85 ± 6,44 dB. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: p<0,001; n=56). Die zentralen Gesichtsfeldausfälle blieben im Vergleich zum präoperativen Befund im Durchschnitt unverändert (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: p=0,775; n=73). Im Rahmen der Beurteilung der Glaukomprogression wurde die Papille mittels HRT II (Heidelberg Retina Tomograph II) und die Nervenfaserschicht mittels OCT (Optische Kohärenztomogrphie) vermessen und die Daten ausgewertet. In der HRT-Untersuchung ermittelten wir eine statistisch signifikante Abnahme der Randsaumfläche um durchschnittlich 0,11 mm² nach fünf Jahren (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: z=2,19; p=0,028; n=63). Nach der Moorfields-Regressionsanalyse der Randsaumfläche liegt auch eine leichte Verschlechterung des Papillenbefundes vor (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: Z=1,94; p=0,052; n=39). In der Nervenfaserdickenmessung dagegen blieb der Befund nach fünf Jahren eher stabil (Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben: Z=1,54; p=0,123; n=55). In Punkto OP-Sicherheit stellte sich die CyPass-Implantation als eine sichere und komplikationsarme Operation dar. Bei 43 Augen (57%, n=75) traten intraoperativ keine Komplikationen auf. Bei 25 Augen (33%, n=75) kam es zu einer leichten intraoperativen Blutung, die spontan zum Stehen kam und am Ende der Operation zusammen mit dem Viskoelastikum abgesaugt werden konnte. Nur bei 5 Augen (7%, n=75) war zur intraoperativen Blutstillung eine erneute Füllung der Vorderkammer mit einem Viskoelastikum erforderlich. Einmal kam es zu einer verbreiterten Zyklodialyse und einmal war der Implantationswiderstand supraziliär erhöht. Alle intraoperativen Komplikationen waren mild und konnten leicht beherrscht werden. Zu den frühpostoperativen Komplikationen gehören eine Wanderung des CyPass-Stent nach ventral in die Vorderkammer bei 3 Augen, eine starke Nachblutung mit notwendiger Vorderkammerspülung in einem Auge sowie eine vorübergehende postoperative Augeninnendruckentgleisung in zwei Augen. Nach fünf Jahren waren bei 86,3% der nachuntersuchten Augen Goniosynechien an der Implantationsstelle des CyPass-Stents vorhanden. Dabei ist Irisgewebe quasi „am Stent hochgewachsen“. Bei 18 Augen (24,66%, n=73, missing data=2) war der CyPass-Stent durch die Goniosynechien vollständig überwachsen. Das Vorhandensein von Goniosynechien korreliert mit dem Endergebnis im Sinne des 5-Jahres-Augendrucks (Spearman: p=0,49; n=74) bzw. der langfristigen Drucksenkung (Spearman: p=0,39; n=74) nicht statistisch signifikant. Sie scheinen daher keinen wesentlichen Einfluss auf die Drucksenkung zu haben. ABSCHLIEßENDE BEWERTUNG Anhand unserer Ergebnisse können wir OP-naive Augen mit mildem bis mäßigem Glaukom und höheres Patientenalter als optimale Zielgruppe für die CyPass-Stent-Implantation definieren. Das ist weltweit die erste Arbeit, die 5-Jahres-Ergebnisse nach der CyPass-Stent-Implantation (ohne Kataraktchirurgie) vorlegt. Auf der Basis dieser Real-Life-Daten zeigt der CyPass-Mikrostent eine ausreichende Effektivität und eine hohe intra- und früh-postoperative Sicherheit. Erst nach Abschluss unserer Studienuntersuchungen wurde die COMPASS-XT-Studie veröffentlicht [33,38], die gezeigt hat, dass es bei nicht ausreichend tiefer Positionierung des CyPass-Stents im Kammerwinkel zu einer Hornhautendotheldekompensation kommen kann. Diese Ergebnisse führten zu einer freiwilligen Marktrücknahme des CyPass-Stents seitens des Herstellers. Die Endothelzellzahl wurde im Rahmen dieser Promotionsarbeit nicht untersucht. Die Messung der Endothelzellen bei Patienten mit CyPass-Stent erfolgte durch den Doktoranden aber später in einer separaten Arbeit.
Link to this record: urn:nbn:de:bsz:291--ds-350215
hdl:20.500.11880/32095
http://dx.doi.org/10.22028/D291-35021
Advisor: Höh, Helmut
Date of oral examination: 26-Oct-2021
Date of registration: 21-Dec-2021
Faculty: M - Medizinische Fakultät
Department: M - Augenheilkunde
Professorship: M - Keiner Professur zugeordnet
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