Bitte benutzen Sie diese Referenz, um auf diese Ressource zu verweisen: doi:10.22028/D291-40042
Titel: Effekt des präklinischen Notfallversorgungsmodells auf das klinische Outcome von Schlaganfallpatienten
VerfasserIn: Sonnberger, Corinna
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2022
Erscheinungsort: Homburg/Saar
DDC-Sachgruppe: 610 Medizin, Gesundheit
Dokumenttyp: Dissertation
Abstract: Hintergrund: Die Inzidenz von Schlaganfällen liegt weltweit bei 13,7 Millionen pro Jahr und steigt kontinuierlich an. Obwohl die Schlaganfallmortalität in den letzten Jahren abgenommen hat, gehen jedes Jahr durch Schlaganfälle weltweit 116,4 Millionen Jahre eines behinderungsfreien Lebens verloren (71). Die Therapiemöglichkeiten nach einem Schlaganfall sind die systemische Thrombolyse mit rekombinantem Plasminogenaktivator (rt-PA) und die mechanische Thrombektomie mit Stent-Retrievern. Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Anwendung dieser Interventionen stellt das kurze Zeitfenster ab Symptombeginn dar, innerhalb dessen die Therapien erfolgen müssen. Vor diesem Hintergrund erfordern Schlaganfälle eine rasche Prähospitalversorgung durch zügige Diagnostik, einen unmittelbaren Transport in eine Stroke Unit und reibungslose Abläufe im Krankenhaus. Einen wichtigen Parameter zur Optimierung von Therapiezeiten bildet das präklinische Management der Schlaganfallversorgung, welches in Deutschland bundeslandabhängig variiert. Es wird das notarztbasierte Konzept vom rettungsdienstbasierten Modell unterschieden. Bei ersterem wird bei Verdacht auf einen Schlaganfall ein Notarzt mit dem Rettungsdienst entsendet, bei letzterem erfolgt die Behandlung durch Rettungsdienstpersonal ohne Notarzt. Ziel dieser Studie ist es, die unterschiedlichen notfallmedizinischen Modelle der Schlaganfallversorgung zu vergleichen. Im Fokus stehen die Gegenüberstellung von Diagnoserichtigkeit, prä- und intrahospitalen Zeiten, Raten von Lyse- und mechanischer Rekanalisationstherapie, klinischem Outcome und Mortalität. Methoden: Für diese Studie wurden retrospektiv Daten von 2188 Patienten der Universitätsklinik des Saarlandes in Homburg analysiert, die im Zeitraum vom 01. Januar 2015 bis 31. März 2020 mit der Einweisungs- oder Entlassungsdiagnose „Schlaganfall“ (ICD10 I60-I64) durch den Rettungsdienst oder Notarzt eingeliefert und in der Neurologie behandelt worden sind. Durch die grenznahe Lage der Universitätsklinik zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz erfolgt hier eine Versorgung von Patienten aus beiden Bundesländern. Dies erlaubt den direkten Vergleich des notarztbasierten Schlaganfallmanagements im Saarland und des rettungsdienstbasierten Konzepts in Rheinland-Pfalz. Zusätzlich wurden unabhängig vom Bundesland Patienten, die vom Rettungsdienst versorgt wurden, notärztlich behandelten Patienten gegenübergestellt. Neben den erhobenen Parametern Diagnoserichtigkeit, Zeiten, Lyseraten, Mechanische Rekanalisationsraten, Mortalität und klinisches Outcome anhand der modified Rankin Scale (mRS) und National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS), wurden Daten zu Infarktätiologie und -lokalisation, kardiovaskulären Risikofaktoren, Vitalparametern und Glasgow Coma Scale (GCS) erhoben. Des Weiteren wurde der Einflussfaktor Alter auf die erhobenen Parameter, insbesondere die präklinische Schlaganfallversorgung, untersucht. Ergebnisse: Im Vergleich ergaben sich für die Notarztgruppe insgesamt weniger prä- und intraklinische Zeitverzögerungen als für die Rettungsdienstgruppe. Die Odds Ratio, dass eine Fehldiagnose gestellt wird, sank bei Beteiligung eines Notarztes um den Faktor 0,511 (95%-Konfidenzintervall 0,369-0,708). Der Anteil von Patienten mit ischämischem Infarkt, die eine Lyse oder mechanische Thrombektomie erhielten, war in der notärztlich behandelten Patientengruppe signifikant höher als in der Rettungsdienstgruppe. Das adjustierte Sterberisiko der Patienten beider Gruppen unterschied sich nicht signifikant. Die adjustierte Chance auf ein gutes klinisches Outcome mit einem modified Rankin Scale-Wert ≤2 stieg bei präklinischer Notarztbeteiligung um den Faktor 1,505 (95%-Konfidenzintervall 1,175-1,928). Während der Wert der modified Rankin Scale bei der Entlassung bei notärztlich versorgten Patienten im Vergleich zu rettungsdienstlich behandelten Patienten sank, war das Rettungsmittel kein signifikanter Prädiktor für die Punktzahl in der National Institutes of Health Stroke Scale bei Entlassung. Bei isolierter Gegenüberstellung der notärztlich versorgten Patienten aus dem Saarland und der rettungsdienstlich behandelten Patienten aus Rheinland-Pfalz ergaben sich vergleichbare Resultate für alle Parameter. Beim Bundeslandvergleich waren bei den statistisch signifikanten Zeitunterschieden die prä- und intrahospitalen Zeiten im Saarland kürzer als in Rheinland-Pfalz, dennoch war das jeweilige Notfallversorgungsmodell des Bundeslands kein signifikanter Prädiktor für Fehldiagnosen oder Mortalität. Die Raten an systemischer Thrombolyse und mechanischer Thrombektomie waren in beiden Gruppen vergleichbar. Das notarztbasierte Konzept war gegenüber dem rettungsdienstbasierten Modell ein prädiktiver Faktor für einen geringeren Wert in der modified Rankin Scale bei Entlassung. Die adjustierte Chance einen modified Rankin Scale-Wert ≤2 oder einen niedrigeren Wert in der National Institutes of Health Stroke Scale bei Entlassung zu erreichen, war beim saarländischen Konzept nicht signifikant höher als beim Modell in Rheinland-Pfalz. Einen wichtigen Einflussfaktor für eine höhere Mortalität und ein schlechteres klinisches Outcome stellte das Alter dar. Lyseraten nahmen mit zunehmendem Alter erheblich ab und Zeitverzögerungen bis zur Lysetherapie zu. Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Notarztbeteiligung zu weniger prä- und intrahospitalen Zeitverlusten führte. Obwohl die Diagnosesicherheit, Lyse- sowie Thrombektomieraten in beiden Bundesländern keine Unterschiede aufwiesen, zeigen die Ergebnisse bei Behandlung durch einen Notarzt eindeutig eine geringere Fehldiagnoserate sowie eine größere Anzahl an therapeutischen Interventionen als durch den Rettungsdienst. Es erreichten mehr Patienten ein gutes klinisches Outcome, wenn präklinisch die Versorgung durch einen Notarzt erfolgte. Unabhängig vom Schlaganfallversorgungskonzept war mit zunehmendem Alter ein höheres Sterberisiko und ein schlechteres klinisches Outcome verbunden. Als Fazit unserer Studie ist ein regelhafter Notarzteinsatz bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten sinnvoll und geht mit einem verbesserten Patienten-Outcome, höheren Lyse- und Rekanalisationsraten, weniger Fehldiagnosen sowie optimierten Therapiezeiten einher.
“Effect of the preclinical emergency care system on the clinical outcome of stroke patients” Background: The incidence of strokes worldwide is 13,7 million per year and is steadily increasing. Although stroke mortality has decreased in recent years, stroke causes 116,4 million global disability-adjusted-life-years (71). The treatment options after a stroke are systemic thrombolysis with recombinant tissue plasminogen activator (rt-PA) and mechanical thrombectomy with stent-retrievers. The basic requirement for the successful application of these interventions is the short time window from onset of symptoms within which the therapies have to be started. In this context strokes require rapid prehospital care with immediate diagnosis, direct transport to a stroke unit and smooth in-hospital processes. An important parameter for optimizing therapy times is the preclinical management of stroke care, which varies depending on the federated state in Germany. A distinction is made between the emergency physician-based concept and the rescue service-based model. In the former case, if a stroke is suspected, an emergency physician is dispatched with the rescue service. In the latter case, treatment is carried out by rescue service personnel without an emergency physician. The aim of this study is to compare the different emergency medical models for stroke care. The focus is on comparison of diagnosis accuracy, pre- and in-hospital times, rates of thrombolysis and mechanical recanalization therapy, clinical outcome and mortality. Methods: For this study, retrospective data of 2188 patients from Saarland University Hospital in Homburg were analysed. Included were patients, who had admission or discharge diagnosis "stroke" (ICD10 I60-I64), have been admitted by the ambulance service or emergency physician and were treated in neurology in the period from January 01, 2015 to March 31, 2020. Since the University hospital is located close to the border between Saarland and Rhineland-Palatinate, patients from both federated states are treated here. This allows a direct comparison of the emergency physician stroke management in Saarland and the rescue service-based concept in Rhineland-Palatinate. Furthermore, regardless of the federal state, stroke patients who were treated by the ambulance service were compared with patients provided medical care by an emergency physician. In addition to the parameters of diagnostic accuracy, times, thrombolysis rates, mechanical recanalization rates, mortality and clinical outcome based on the modified Rankin Scale (mRS) and National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS), data on infarct etiology and localization, cardiovascular risk factors, vital parameters and Glasgow Coma Scale (GCS) were recorded. Furthermore, the influencing factor of age on the parameters collected, in particular preclinical stroke care, was examined. Results: In a comparison there were fewer prehospital and intrahospital time delays for the emergency physician group than for the rescue service group. The odds ratio for an incorrect diagnosis falled by a factor of 0.511 (95% confidence interval 0.369-0.708) when an emergency physician was involved. The proportion of patients with ischemic infarction who received lysis or mechanical thrombectomy was significantly higher in the patient group treated by the emergency physician than in the rescue service group. The adjusted mortality risk of the patients in both groups did not differ significantly. The adjusted chance of a good clinical outcome with a modified Rankin Scale value≤2 increased by a factor of 1.505 (95% confidence interval 1.175-1.928) in case of prehospital involvement of an emergency physician. As the value of the modified Rankin Scale decreased at discharge for patients treated by an emergency physician compared to patients treated by the rescue service, the choice of emergency staff was not a significant predictor of the National Institutes of Health Stroke Scale score at discharge. In an isolated comparison of the patients from Saarland treated by emergency physicians and the patients from Rhineland-Palatinate treated by the rescue service, comparable results were obtained for all parameters. Comparing the federal states, the pre-hospital and intra-hospital times for the statistically significant time differences were shorter in Saarland than in Rhineland-Palatinate. However, the choice of the emergency care model of the federal state was not a significant predictor for misdiagnosis or mortality. The rates of systemic thrombolysis and mechanical thrombectomy were comparable in both groups. Compared to the rescue service-based model, the emergency physician-based concept was a predictive factor for a lower value in the modified Rankin Scale upon discharge. The adjusted chance of achieving a modified Rankin Scale value≤2 or a lower value in the National Institutes of Health Stroke Scale at discharge was not significantly higher with the concept in Saarland than with the model in Rhineland-Palatinate. Age was an important influencing factor for higher mortality and a poorer clinical outcome. Lysis rates decreased significantly with increasing age and delays in lysis therapy increased. Conclusion: Our results show that the involvement of an emergency physician led to fewer pre- and in-hospital time losses. Although there were no differences in diagnostic reliability, thrombolysis and thrombectomy rates in the two federal states, the results of treatment by an emergency physician clearly showed a lower rate of incorrect diagnosis and a larger number of therapeutic interventions than by the rescue services. More patients achieved a good clinical outcome when prehospital care was provided by an emergency physician. Irrespective of the stroke care concept, increasing age was associated with a higher risk of death and a poorer clinical outcome. As a conclusion of our study, a regular use of emergency physicians in the treatment of stroke patients makes sense and is associated with an improved patient outcome, higher lysis and recanalization rates, fewer incorrect diagnoses and optimized therapy times.
Link zu diesem Datensatz: urn:nbn:de:bsz:291--ds-400420
hdl:20.500.11880/37131
http://dx.doi.org/10.22028/D291-40042
Erstgutachter: Faßbender, Klaus
Tag der mündlichen Prüfung: 27-Jun-2023
Datum des Eintrags: 12-Jan-2024
Fakultät: M - Medizinische Fakultät
Fachrichtung: M - Neurologie und Psychiatrie
Professur: M - Prof. Dr. Klaus Faßbender
Sammlung:SciDok - Der Wissenschaftsserver der Universität des Saarlandes

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