Bitte benutzen Sie diese Referenz, um auf diese Ressource zu verweisen: doi:10.22028/D291-31811
Titel: Präklinische Diagnostik und Therapie in einer Mobilen Stroke Unit zur Verkürzung der Zeit bis zur intravenösen Thrombolyse beim akuten ischämischen Schlaganfall
VerfasserIn: Brand, Jannik
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2020
Erscheinungsort: Homburg/Saar
Kontrollierte Schlagwörter: Schlaganfall
Freie Schlagwörter: Diagnostik / präklinisch
Therapie / präklinisch
Mobile Stroke Unit
DDC-Sachgruppe: 610 Medizin, Gesundheit
Dokumenttyp: Dissertation
Abstract: Hintergrund und Ziele: Schlaganfälle haben durch den stetigen Anstieg der Inzidenz in westlichen Ländern enorme Auswirkungen auf die Morbidität und Mortalität. Zudem stellen sie die Gesundheitssysteme durch die Verursachung hoher Kosten vor große Herausforderungen, sodass die Optimierung der Abläufe in der Schlaganfalltherapie mithilfe innovativer Ansätze zu einem wichtigen Forschungsgebiet geworden ist. Als wichtige ursächliche Therapieform des akuten ischämischen Schlaganfalls (AIS) hat sich die intravenöse Thrombolyse (IVT) etabliert, welche eine Wiedereröffnung des stenosierten Hirngefäßes zum Ziel hat und für die in zahlreichen randomisiert-kontrollierten Studien ein klinischer Nutzen innerhalb einer Zeitfensters von 4,5 Stunden nachgewiesen werden konnte. Als Ergänzung zur IVT gewinnt außerdem zunehmend die interventionelle Katheter-Thrombektomie an Bedeutung, die bei sogenannten Large Vessel Occlusions (LVO) in spezialisierten neurovaskulären Zentren zum Einsatz kommt. Für das funktionelle Outcome nach einem AIS spielt vor allem die Dauer bis zur rekanalisierenden Therapie eine herausragende Rolle, denn mit jeder Minute droht weiteres Hirngewebe abzusterben. Aus diesem Grund kommt dem Zeitmanagement in der Schlaganfallversorgung eine große Bedeutung zu („time is brain“). Angesichts der nachgewiesenen, hohen Effektivität erhalten jedoch nach wie vor zu wenige Patienten Zugang zu diesen Therapieformen, besonders in ländlichen Regionen liegt eine Unterversorgung dieser Patientengruppe vor. Die Ursache hierfür sind vor allem Verzögerungen in der Prähospitalphase mit der Folge, dass Patienten die Klinik nicht rechtzeitig für eine kausale Therapie erreichen. Eine Mobile Stroke Unit (MSU) ist eine auf die Versorgung von Schlaganfallpatienten spezialisierte, mit einem Rettungsassistenten, Neurologen und Radiologen besetzte Rettungsambulanz, mit der die wesentlichen diagnostischen Schritte (multimodale CT-Bildgebung, Point-Of-Care (POC)-Laboranalyse) in die präklinische Phase vorverlegt werden. Damit kann die Indikation zur IVT leitlinienkonform, nach Ausschluss einer Hirnblutung in der Bildgebung, gestellt werden und die Therapie gegebenenfalls bereits am Einsatzort eingeleitet werden. Das Konzept zielt vor allem darauf ab, das Zeitmanagement zu optimieren, die IVT-Rate im vorgeschriebenen Zeitfenster zu erhöhen und letztlich auch das funktionelle Outcome zu verbessern. Zudem kann eine sichere, Diagnose-basierte Triage entweder in eine regionale Stroke Unit (RSU) oder ein neurovaskuläres Zentrum (NVZ) erfolgen. Material und Methoden: In die prospektive, randomisiert-kontrollierte Studie wurden in einem Zeitraum vom 15. Juni 2015 bis zum 15. November 2017 116 Patienten eingeschlossen, davon 63 Patienten in die Interventionsgruppe (MSU-Gruppe) und 53 Patienten in die Kontrollgruppe. Die Einschlusskriterien der Studie waren Alter ≥18 Jahre, ≥1 Symptom eines akuten Schlaganfalls nach clFAST, Zeitfenster ≤8 Stunden zwischen Symptombeginn und Absetzen des Notrufs oder „Wake Up- 2 Stroke“ und schriftliche Einwilligung in die Studienteilnahme. Die Ausschlusskriterien waren Schwangerschaft, Intensivpflichtigkeit, bekannte Kontrastmittelallergie, chronische Niereninsuffizienz, vorbestehende schwere oder finale Erkrankung und Nichtverfügbarkeit einer vaskulären Bildgebung. Die Studie wurde in zwei separaten Einzugsgebieten von größtenteils ländlicher Struktur durchgeführt und erforderte eine Kooperation mehrerer Kliniken unterschiedlicher Versorgungsstufen mit Stroke Unit im Saarland, darunter 2 neurovaskuläre Zentren und 8 regionale Stroke Units. Die Intervention wurde in das konventionelle Rettungssystem integriert und erfolgte randomisiert in Wochenblöcken mit abwechselnd MSU-basiertem und optimiertem konventionellem Management. Das MSU-basierte Management umfasste neben Anamnese und klinischer Untersuchung eine multimodale CT-Bildgebung, POC-Laboranalyse und gegebenenfalls eine Kommunikation mit der Klinik über ein Telemedizinsystem. Bei vorliegender Indikation für eine IVT wurde diese am Einsatzort begonnen und der Patient je nach Diagnose in eine geeignete Klinik gebracht. In den Kontrollwochen fand nach Etablierung eines Triage-Algorithmus und umfassender Schulungsprogramme eine konventionelle Versorgung der Patienten mit Notarzt und Rettungsdienst nach gängigen Standards statt. Klinische Follow-Up-Untersuchungen wurden nach 7 und nach 90 Tagen durchgeführt. Primärer Endpunkt der Studie war die Genauigkeit der Triageentscheidung hinsichtlich der geeigneten Zielklinik, sekundäre Endpunkte die Zeitintervalle von der Alarmierung bis zum Ende der Bildgebung und bis zur Einleitung der IVT, die IVT-Rate und das funktionelle Outcome anhand der modifizierten Rankin-Skala (mRS) nach 90 Tagen. Ergebnisse: Die mittlere Dauer des Zeitintervalls von der Alarmierung der MSU beziehungsweise des Notarztes bis zur nativen Bildgebung betrug in der MSU-Gruppe 39,3±7,8 Minuten gegenüber 80±40 Minuten in der Kontrollgruppe und war damit signifikant kürzer (p<0,0001). Ähnliches gilt für die mittlere Dauer bis zur ersten vaskulären Bildgebung (MSU-Gruppe: 47,8±8,8 Minuten, Kontrollgruppe: 686±1549 Minuten, p=0,009). Auch die mittlere Dauer von der Alarmierung bis zur Einleitung der IVT war mit 50±10 Minuten in der MSU-Gruppe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe mit 85±30 Minuten (p=0,0009). Die Rate an intravenösen Thrombolysen war in der MSU-Gruppe mit 16 von 32 Patienten mit gesicherten AIS (50%) nicht signifikant höher als in der Kontrollgruppe mit 14 von 39 Patienten (35,9%, p=0,16). Die IVT-Rate in der ersten Stunde nach Symptombeginn betrug in der MSU-Gruppe 18,8% (3 von 16 Patienten) und in der Kontrollgruppe 0,7% (1 von 14 Patienten) - ebenfalls ohne statistische Signifikanz. Auch für das funktionelle Outcome nach 90 Tagen ließ sich kein signifikanter Unterschied zwischen MSU- und Kontrollgruppe nachweisen. Es liegen keine Hinweise auf ein erhöhtes Sicherheitsrisiko durch die Intervention vor. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eindrücklich, wie das Zeitmanagement in der Versorgung von Schlaganfallpatienten mithilfe des MSU-Konzepts mit vaskulärer Bildgebung verbessert und das Motto „time is brain“ gerade in ländlichen, eher unterversorgten Regionen in die klinische Praxis umgesetzt werden kann. Zur Beantwortung der Frage nach einer Verbesserung der 3 Behandlungsraten und des funktionellen Outcomes durch das MSU-Konzept bedarf es weiterer klinischer Studien an größeren Patientenkollektiven.
Background and purpose: Stroke has a huge impact on morbidity and mortality in Western countries. In addition, they pose major challenges to healthcare systems by causing high costs. Thus, optimizing stroke treatment processes with innovative approaches has become an important area of research. Intravenous thrombolysis (IVT), which aims to recanalize the stenosed cerebral vessel, and for which clinical benefit in a time window of 4.5 hours from symptom onset has been proven in multiple randomized controlled trials, has become established as an important causal therapy of acute ischemic stroke (AIS). In addition to IVT, interventional catheter thrombectomy, which is used in so-called large vessel occlusions (LVO) in specialized neurovascular centers, is becoming increasingly important. For the functional outcome after an AIS, the duration until the recanalizing therapy plays a prominent role. For this reason, time management in stroke care is of great importance („time is brain“). However, given the high level of evidence, only few patients continue to have access to this effenctive therapy, especially in rural areas. This is mainly due to delays in the pre-hospital phase with the consequence that patients do not reach the clinic in time for a causal therapy. A mobile stroke unit (MSU) is an ambulance specialized in the treatment of stroke patients, staffed by a paramedic, neurologist and neuroradiologist, with which the essential diagnostic steps (e.g. multimodal CT imaging, point-of-care (POC) laboratory analysis) are advanced to the preclinical phase. In this way, the indication for IVT can be made in accordance with the guideline, after exclusion of brain haemorrhage in the imaging, and this therapy can be initiated, if necessary, already at the patient`s location. Above all, the concept aims to minimize the duration of the respective processes, to increase the thrombolysis rate in the required time window and ultimately to improve the functional outcome. In addition, accurate, imaging-based triage to either a primary stroke center (PSC) or a comprehensive stroke center (CSC), can be made depending on the subtype of stroke. Methods: The prospective randomized controlled trial enrolled 116 patients in a period from the 15th of June 2015 to the 15th of November 2017, including 63 patients in the intervention group (MSU group) and 53 patients in the control group. The inclusion criteria of the study were age ≥18 years, ≥1 symptom of acute stroke after clFAST, time window ≤8 hours between symptom onset and emergency call or wake up stroke, and written informed consent for study participation. The exclusion criteria were pregnancy, intensive care, pre-existing contrast agent allergy, chronic renal insufficiency, pre-existing severe or final disease, and unavailability of vascular imaging. The study was conducted in two separate, mostly rural catchment areas, and required co-operation of several clinics with different levels of stroke 5 care in the Saarland, including 2 comprehensive stroke centers and 8 regional stroke units. The intervention was integrated into the conventional rescue system and was carried out randomized week-wise with alternating MSU-based and optimized conventional management. MSU-based management included patient`s history and clinical assessment, multimodal CT imaging, POC laboratory analysis and, if needed, communication with the hospital via telemedicine connection. In the case of an indication for an IVT, therapy was started on site and the patient was taken to a suitable clinic depending on the diagnosis. After establishing a triage algorithm and extensive training programs, conventional care for patients with emergency medical service and an emergency physician in accordance with current standards took place during control weeks. Clinical follow-up examinations were performed after 7 and 90 days. The study's endpoints were the accuracy of the triage decision for the appropriate target clinic and stroke management metrics e.g. time intervals from alarm to the end of imaging and to initiation of IVT, IVT rate, and 3-month functional outcome using the modified Rankin Scale (mRS). Results: The mean time from alarm to native imaging was 39.3 ± 7.8 minutes in the MSU group compared to 80 ± 40 minutes in the control group and was significantly shorter (p <0.0001). The same applies to the mean time to first vascular imaging (MSU group: 47,8 ± 8,8 minutes, control group: 686 ± 1549 minutes, p=0.009). The mean time from alarm to initiation of IVT was also significantly shorter in the MSU group (50 ± 10 minutes) than in the control group (85 ± 30 minutes, p = 0.0009). The rate of intravenous thrombolysis was not significantly higher in the MSU group with 16 out of 32 patients with confirmed AIS (50%) than in the control group with 14 out of 39 patients (35.9%, p = 0.16). The IVT rate in the first hour after symptom onset (golden hour) was 18.8% (3 out of 16 patients) in the MSU group and 0.7% (1 out of 14 patients) in the control group, also without statistical significance. For the functional outcome after 90 days, no significant difference between MSU and control group could be shown. With regard to the complication rate and mortality, there are no indications of an increased safety risk due to the intervention. Conclusion: The results of this study clearly show how time management in the care of stroke patients can be improved and how the principle “time is train” can be put into clinical practice, especially in rural, underserved regions by use of the MSU concept. Answering the question of improving treatment rates and functional outcome through the MSU approach requires further clinical trials in larger patient populations.
Link zu diesem Datensatz: urn:nbn:de:bsz:291--ds-318117
hdl:20.500.11880/29829
http://dx.doi.org/10.22028/D291-31811
Erstgutachter: Faßbender, Klaus
Tag der mündlichen Prüfung: 9-Sep-2020
Datum des Eintrags: 6-Okt-2020
Fakultät: M - Medizinische Fakultät
Fachrichtung: M - Neurologie und Psychiatrie
Professur: M - Prof. Dr. Klaus Faßbender
Sammlung:SciDok - Der Wissenschaftsserver der Universität des Saarlandes

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